Magenkrebs und Speiseröhrenkrebs überleben
Magenkrebs und Speiseröhrenkrebsüberleben

der erste Schock

Nach der ersten Untersuchung konnte man es sich noch nicht vorstellen. Aber irgendwie unsicher war man schon, denn es gab Indizien. Gewichtsverlust, Schluckbeschwerden, Unverträglichkeiten, Schmerzen oder evtl. Verdacht auf Magenbluten. Aber man hatte die Hoffnung, dass alles schon gut ausgehen würde.

 

Und nun haben sie Tumorzellen in den Biopsien gefunden! Der Hausarzt, der den Befund bekam, nennt das Kind beim Namen: Krebs! Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs, oder dieses Ding dazwischen, das Kardia-Karzinom. Ich bekomme den Rest schon gar nicht mehr richtig mit, denn soeben bricht meine ganze Welt und Lebenssituation völlig in sich zusammen. Sofort wirkt dieser seltsame Schutzmechanismus, der uns in den allerschlimmsten Momenten das Gefühl gibt, es wäre alles nur ein Film und nicht real.

Ich nehme das bedauernde Gesicht des Arztes kaum wahr, und die Überweisungen zu den Folgeuntersuchungen stecke ich nur beiläufig in die Tasche. Der Arzt versucht mir noch zu erklären, dass einige seiner Patienten das auch hatten, und dass man denen das heute gar nicht mehr ansieht, aber das ist mir in diesem Moment egal. Der Weg nach Hause fliegt wie in einem schlechten Traum vorbei. Ich berichte meiner Frau, und es ist, als ob ich eine unwirkliche Geschichte erzähle.

Wir fliegen innerhalb von Stunden aus dem richtigen Leben, aber wir sind in der neuen Situation noch längst nicht angekommen. Wir sind sprachlos, jedes Wort fühlt sich falsch an. Die ersten Tränen, denen noch sehr viele folgen werden. Wir sind völlig geschockt und vollkommen hilflos.

Ganz langsam formt sich ein einziger Gedanke, der sich erst viel später auch in Worte fassen lässt: "ich will noch nicht sterben."  

Erstmal gibt es nur Fragen. Speiseröhrenkrebs, oder Magenkrebs, was heißt das eigentlich? Sterbe ich, und wann sterbe ich?

Um nur ja irgendwas zu tun, durchwühlen wir, jeder für sich, fast wahllos alle möglichen Internetseiten zum Thema Magenkrebs oder Speiseröhrenkrebs.

Zu diesem Zeitpunkt merken wir nicht, dass wir uns damit nur schaden. Wir stoßen auf Statistiken zur Überlebenswahrscheinlichkeit, wissen aber nichts über deren Alter , die Aussagekraft, die Rahmenbedingungen, die Situation der betroffenen Patienten und die vielen anderen wichtigen Details. Wir verschlingen Informationen, können sie aber überhaupt nicht bewerten oder interpretieren.

Das was wir lesen, lässt uns verzweifeln: ich bin so gut wie tot! Worst case in drei Monaten, vielleicht auch erst in einem halben Jahr. Was soll mir da noch helfen?  Ich denke nicht an Hilfe, sondern an meine Frau, die allein leben wird, an Enkel, die ich nie sehen werde, und ich habe Panik wegen all der schönen Jahre, die jetzt ohne mich vergehen werden.

 

Rückblickend muss ich sagen, dass es tatsächlich ein großer Fehler war, völlig unreflektiert Informationen aus dem Internet aufzusaugen, und ich komme darauf in den folgenden Abschnitten noch zurück.

 

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© - Frank Maienschein 2017