Magenkrebs und Speiseröhrenkrebs überleben
Magenkrebs und Speiseröhrenkrebsüberleben

Die Krankheit psychisch bewältigen

Weil ich kein Psychologe bin, kann ich keine Empfehlungen geben, wie man die psychischen Folgen einer Krebserkrankung bewältigt. Ich möchte deshalb hier nur darstellen, was mir dabei geholfen hat.

 

Wenn ich die psychischen Aspekte für meinen Fall zusammenfassen sollte, fallen mir spontan ein:

 

  • Angst vor dem nahen Tod
  • Angst vor Schmerzen
  • Angst vor den Therapiemaßnahmen
  • Sorge, als Schwerstbehinderter oder schwer Pflegebedürftiger zu enden
  • Verlustängste (Lebenspartner, Kinder, Freunde u.s.w.)
  • Verlust des Vertrauens in den eigenen Körper/ die eigenen Kräfte
  • Angst vor Nebenwirkungen und Spätfolgen
  • Angst vor einem Rückfall

 

All das ist ganz sicher mehr, als ein Mensch allein bewältigen kann, und jeder Arzt wird bestätigen: diese Krankheit hat uns nicht nur körperlich, sondern auch seelisch schwerstens traumatisiert.

Während der Therapie werden wir kaum Zeit haben, das überhaupt zu bemerken, und danach sind wir erstmal damit beschäftigt, froh zu sein, dass wir noch leben. Aber spätestens mit der ersten Reha haben wir Gelegenheit, die Auseinandersetzung mit unserer Situation zu beginnen. Es wird ein sehr langer, oft jahrelanger Prozess sein, aber irgendwann mit der ersten Reha erfolgen die ersten Schritte.

Mir tat es sehr gut zu erleben, wie selbstverständlich und völlig routiniert die Ärzte und Therapeuten mit mir und meiner Situation umgingen. Die Gelassenheit, mit der man mit mir, meinen Problemen und Fragen umging, half mir sehr, mich mit meiner eigenen Situation recht sachlich und unaufgeregt auseinanderzusetzen. Genau so wohltuend war es, zusammen mit sehr vielen anderen Patienten mit derselben Erkrankung ganz entspannt und im Grunde immer recht positiv mit der Situation umgehen zu lernen. Man braucht tatsächlich Gleichgesinnte, mit denen man die positiven Erlebnisse teilen kann, und mit denen man zwar teilnahmsvoll, aber ganz sachlich auch mal über schwierige Themen sprechen kann. Und es kann auch schon mal helfen, wenn man sieht, wie gut andere , die ähnliches erlebt haben wie ich, mit ihrer Situation umgehen. In manchen Dingen können mir andere ein Vorbild sein, in anderen Dingen kann wiederum ich ein gutes Beispiel für andere geben.

Kurzum: schon in der Reha können echte "good vibrations" entstehen, und man sollte sich diese positive und optimistische Grundstimmung sehr bewusst machen und mit nach Hause nehmen.

Nachdem man nun einmal das "Tal der Tränen" verlassen hat, geht es nun darum, nicht wieder darin zu versinken.

Mir hat es sehr geholfen, selbst nicht zu jammern, und mich auch nicht bemitleiden zu lassen. Wenn man z.B. in irgendwelchen Krebsforen rumstreunt, dann vielleicht nicht, um sich dort mit anderen Leuten ständig zu erzählen, wie schlimm und ungerecht das Leben ist. Oder vielleicht sogar, um digitale, virtuelle Kerzen für verstorbene Forenmitglieder anzuzünden. So wird das nie was!

Wenn du anderen was erzählen willst, dann sei konstruktiv, positiv und deshalb hilfreich. Das hilft auch dir selbst. Es kann aber auch durchaus helfen, mit den eigenen Leidenserlebnissen, Ängsten u.s.w. auch mal ein bisschen sarkastisch umzugehen. So rede ich z.B. ab und zu schon mal so scherzhaft und bissig über meinen möglicherweise nicht allzu fernen Tod, dass anderen schon mal die Mimik einfriert. Im Grunde wissen die ja auch nicht, ob sie länger leben als ich, aber sie setzen sich nicht damit auseinander....

 

Aber machen wir uns nichts vor: die immer wieder mal hochkommende Angst vor einem Rückfall oder ähnlichem kann uns zermürben. Auch der Tod eines Mitpatienten o.ä. kann uns schwer treffen. Wir sind deshalb manchmal tage- oder wochenlang niedergeschlagen, obwohl wir diese gesunde Zeit doch genießen könnten. Das einzige, was dann hilft, ist, unsere Ängste und Sorgen einer nahestehenden Person mitzuteilen. Einem engen Freund, unserem Arzt, oder am allerbesten unserem Lebenspartner.

 

Da sind wir beim wichtigsten Stichwort dieses Kapitels angekommen: unser Lebenspartner. Er/sie erlebt die Krankheit genau so wie wir, und das seelische Trauma trifft ihn/sie genau so schlimm. Mit dem Unterschied, dass er/sie sich dabei auch noch um mich kümmern muss. Bitte deshalb nie vergessen: die Bewältigung dieser Krankheit ist für beide wichtig, und sie kann am besten gemeinsam gelingen. Etwas in sich hineinfressen hilft nicht. Man muss über alle Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Erfolge reden und sie teilen. Allein kann ein Mensch das alles kaum bewältigen, aber zu zweit, oder noch besser mit der zusätzlichen Unterstützung von Familie und Freunden, ist es möglich. Hier gilt ganz besonders: geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. Und der beste Weg zur Bewältigung dieser Krankheit.

 

 

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