Langzeitfolgen physisch
Von den Risikien für mögliche Spätfolgen der Bestrahlungen, über die man mich während der Therapie aufgeklärt hatte, nämlich evtl. Herzinfarkt, Schlaganfall oder Blutkrebs, die in den ersten 10 Jahren auftreten könnten, ist zum Glück bisher, also auch 6 Jahre nach der Behandlung, nichts zu merken, und es rückt für mich immer weiter in den Bereich der nur theoretisch bestehenden Gefahren.
Allerdings musste ich mehrmals erleben, dass mein durch die Behandlung etwas vorgeschädigter und nicht mehr optimal funktionierender Verdauungstrakt doch sehr empfindlich auf Infektionen reagiert. Bei allen möglichen Arten von Magen-/Darminfektionen stehe ich in vorderster Reihe, und in zwei Fällen hat so eine Infektion sogar zu leichten Schädigungen und dauerhaften Funktionseinschränkungen z.B. der Bauchspeicheldrüse geführt. Trotz leichter Erholung danach muss ich statt 25.000 - 40.000 Einheiten Kreon nun 75.000 Einheiten nehmen, um Durchfälle zu vermeiden. Das ist aber immer noch weit innerhalb des für mein Gewicht normalen Bereichs. Das einzig gute daran ist, dass ich nun eine nachgewiesene Funktionseinschränkung der Bauchspeicheldrüse habe und deshalb das Kreon auf Rezept bekomme.
Was trotz anfänglich leichter Verbesserung sehr deutlich geblieben ist, sind die sensorischen Veränderungen aufgrund der Chemos.
Besonders in den Zehen und Fußsohlen habe ich weiterhin gefühllose Stellen. Das fühlt sich so an, dass es sehr viele kleine taube Stellen gibt, dass jedoch ein paar Millimeter weiter wieder eine umso schmerzempfindlichere Stelle ist. Also wie ein sehr feiner Flickenteppich aus tauben und sehr empfindlichen Stellen. Das kann z.B. bewirken, dass ich ein Steinchen im Schuh zunächst gar nicht bemerke, und dass es, wenn es ein paar Millimeter weiter rutscht , plötzlich so weh tut, dass ich laut aufschreien könnte.
Zudem hat sich mein Geruchssinn möglicherweise etwas verändert und ist auf jeden Fall viel empfindlicher geworden. So nehme ich angenehme Düfte in der Natur, z.B. Seeluft oder Düfte im Wald, viel deutlicher wahr. Schön wenn das für immer so bleibt :)
Allerdings stechen mir auch unangenehme Gerüche viel mehr in die Nase als früher, vor allem Schweißgeruch ungepfllegter Menschen, und, wirklich ganz schlimm, das noch in Verbindung mit einem sehr billigen Parfum. Noch deutlicher nehme ich den Geruch nicht mehr ganz frischer Lebensmittel wahr, wie z.B. überlagertes Gemüse oder eine nicht mehr ganz so gute Kartoffel in einem ganzen Sack. Das hilft schon mal beim Einkaufen.
Die unangenehmste sensorische Veränderung (wie übrigens bei den allermeisten meiner Mitpatienten) ist jedoch eine sehr starke Lärmempfimdlichkeit. Dabei sind Straßen- oder Motorenlärm, der Rasenmäher oder die Schlagbohrmaschine des Nachbarn noch die erträglichsten Dinge. Viel unangenehmer sind mehrere unterschiedliche Geräuschquellen gleichzeitig, wie z.B. Musikbeschallung aus mehreren Richtungen gleichzeitig (Campingplatz) oder ein gezwungenermaßen lautes Gespräch bei lauter Musikbeschallung. Die Höchststrafe aber sind Menschen, die einen extrem hohen Geräuschpegel verursachen, indem sie pausenlos in voller Lautstärke reden, dabei ständig lauthals über ihre eigene Erzählung lachen und auch sonst irgendwie immer sehr laut sind. So jemandem nicht ausweichen zu können, was ja gelegentlich passiert, ist in solchen Situationen einer meiner allerschlimmsten Stressfaktoren.
Als Grundschullehrer o.ä. wäre ich jedenfalls völlig ungeeignet :)
Zudem wirken sich besonders belastende Situationen, wie z.B. außerordentliche Aufregung, Stress usw., unmittelbar und innerhalb weniger Stunden auf die Verdauung aus, und zwar in Form von außerordentlich starken, oft krampfartigen Bauchschmerzen und gleichzeitig starkem Durchfall. Da das aber nur sehr selten vorkommt, kann ich damit gut leben.
Von den anfänglichen Schmerzen im Operationsgebiet ist praktisch gar nichts geblieben. Lediglich bei sehr intensiven Übungen an Kraftgeräten (z. B. Latissimuszug) merke ich ein ganz leichtes Ziehen im rechten Latissimus, da wo der Schnitt rechts durch die Rippen war, was aber keinerlei Einschränkung bedeutet und nicht mal unangenehm ist.
Äußerlich sind die Merkmale der OP kaum noch sichtbar, jemand im Schwimmbad würde sie wohl gar nicht bemerken.