Zwei Gemütszustände aus den Tagen nach Empfang meiner ersten Diagnose sind mir sehr deutlich im Gedächtnis geblieben:
Verzweiflung
Die erste völlige Fassungslosigkeit, das unwirkliche Gefühl, es einfach nicht glauben zu wollen, weicht bald der Gewissheit, dass es mich nun tatsächlich mit aller Wucht getroffen hat. Das ganze Leben steht auf dem Kopf, alle Pläne und Träume sind gestorben, genau so wie ich selbst wohl bald gestorben bin. Ausgerechnet für mich wird es keine Zukunft geben, ich werde an dem Leben aller anderen nun nicht mehr teilnehmen. Ich bin völlig verzweifelt.
Wut
Dennoch beschließe ich, mich wenigstens eine kleine Weile zu meinen Freunden zu setzen, die sich abends im Nachbargarten zu einer kleinen Feier versammelt haben. Natürlich kreisen auch dort meine Gedanken ständig um die neue Situation. Dabei beobachte ich unsere Freunde, und ich muss daran denken, dass einige von ihnen einen wesentlich ungesunderen Lebenswandel führen als ich. Sie rauchen seit etlichen Jahren, treiben keinen Sport, ernähren sich weniger gesund als ich. Und sie sind alle gesund. Sie genießen das Leben, während ich wahrscheinlich sterben muss. Das ist ungerecht. Das habe ich wirklich nicht verdient. Ich bin neidisch auf diese gesunden Menschen, die es aus meiner verzweifelten Sicht viel weniger verdient hätten als ich. Ich fühle eine maßlose Wut in mir aufsteigen. Wut auf die Ungerechtigkeit meines Schicksals, und vielleicht sogar auf diese Kerle, die gesund da herumsitzen, feiern, rauchen und trinken, während ich todkrank daneben sitze und wahrscheinlich nie wieder mitfeiern werde.