So schwer es meinen Liebsten, der Familie und den Freunden fiel, mit meiner Erkrankung richtig umzugehen, so deutlich hat sich diese Situation dann doch in ihrem Bewusstsein festgesetzt. Meine Krankheit war für viele ein unfassbar schlimmer Schicksalsschlag und eine furchtbare Tragödie. Meine Frau und die engere Familie haben während der ganzen Zeit versucht, mich bestmöglich zu unterstützen, mir das Leben und Leiden so erträglich wie möglich zu machen und alles andere möglichst von mir fern zu halten.
Auch im Freundeskreis, Chor, Verein u.s.w. bestand lange Zeit die gute Absicht, mich erstmal überleben und dann hoffentlich irgendwann wieder gesund werden zu lassen. Sehr verbreitet scheint aber die Ansicht zu sein, dass jemand, der Krebs hat, ansonsten zu gar nichts mehr fähig ist. Weder zu Aktivitäten noch zu Entscheidungen, die etwas anderes als die Krankheit betreffen. Man ist komplett gepampert , im Schonmodus und aus allem raus.
Umso schwieriger ist es für das Umfeld, und hier meine ich durchaus auch Lebenspartner und engere Familie, zu realisieren und zu verstehen, dass ich irgendwann wieder "der Alte" werde. Oder das zumindest werden möchte.
Viele haben mich lange Zeit noch als den fast totgeglaubten Schwerstkranken gesehen. Da musste man teilweise schon überdeutlich klarmachen, dass man eigentlich immer noch dieselben Erwartungen, Meinungen und Interessen hat wie früher. Diejenigen, die noch vor Kurzem ganz verwundert waren, dass ich überhaupt schon wieder im Chor mitsingen kann, mussten sich jetzt daran gewöhnen, dass ich mich - genau wie früher - auch wieder an Entscheidungen bzgl. der Gestaltung der Konzerte u.s.w. beteiligen will.
Meine Frau, die mir viele auch sehr persönliche Entscheidungen abgenommen und sich sehr um meine Genesung gekümmert hatte, musste akzeptieren, dass ich meine eigenen, ganz persönlichen Entscheidungen wieder selbst treffe, dass lange "vergrabene" Fragen wieder auftauchten, und dass ich mein Leben nach und nach wieder so selbständig in die Hand nehmen wollte wie zuvor.
Das kann in einigen Fällen schwierig sein und zu Missverständnissen führen, denn wenn man erstmal in der "hilflosen und schwerstkranken Ecke" steht, kommt man da manchmal nicht so leicht wieder raus.
Ich scheine es trotzdem irgendwie geschafft zu haben, denn inzwischen sagen mir z.B. Freunde immer mal wieder, dass sie völlig vergessen hätten, dass ich ja "eigentlich" krank und sehr stark eingeschränkt bin.
Ich sage dann immer, dass es für mich das schönste Kompliment ist, was mir jemand machen kann: wenn ich mich im Alltag so normal verhalten kann, dass andere meine Krankheit vergessen, ist das größte Ziel für mich erreicht.
Hurra, das normale Leben hat mich wieder!